Päppeln / Zwangsernährung von kranken Meerschweinchen

Meerschweinchen verfügen über ein sehr komplexes Verdauungssystem und haben einen so genannten Stopfmagen. Die Magenwand ist sehr dünn, und der Weitertransport des Mageninhaltes ist nur gewährleistet, wenn das Meerschweinchen/Kaninchen durch häufige und über den ganzen Tag verteilte Nahrungsaufnahme den Magen immer wieder etwas anfüllt.

Das bedeutet, dass die Nahrung (zum grössten Teil qualitativ gutes Heu) in vielen kleinen Portionen aufgenommen werden soll. Es dürfen keine grossen Pausen zwischen den Mahlzeiten entstehen.  

In einem akutem Krankheitsfall kann es dazu kommen, dass das Meerschweinchen zu wenig Nahrung aufnimmt oder das Fressen sogar ganz einstellt. Gerade bei Meerschweinchen mit Zahnproblemen, Entzündungen an den Zahnwurzeln/im Rachenbereich und dem Kieferknochen (alles sehr schmerzhafte Erkrankungen) stellen die Tiere in der Regel als erstes das Fressen von Heu ein, da das mahlen mit den Backenzähnen (starke) Schmerzen verursacht. Da Heu zum Grundnahrungsmittel der Tiere zählt, ist ein rascher Gewichtsverlust zu verzeichnen, wenn dieses nicht mehr in grossen Mengen gefressen wird.


Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Text keine Anleitung zu einer Therapie sein soll. Wenn ein Meerschweinchen das Fressen einstellt, muss es umgehend einem   meerschweinchenerfahrenen Tierarzt vorgestellt werden! 



Stoffwechselentgleisung:

Wenn ein Meerschweinchen also keine Nahrung mehr zu sich nimmt, verschlechtert sich sein Gesundheitszustand innert weniger Tage rapide und es stirbt an einer Stoffwechselentgleisung. Denn wenn die Energiezufuhr zu gering ist, greift der Körper zwecks Energiegewinnung auf seine Fettdepots zurück, letztendlich kommt es zu einer krankhaft gesteigerten Fettmobilisation (Fett wird zur Leber transportiert, um dort in leicht verfügbare Energie umgewandelt zu werden).

Beim Ab- und Umbau zu Kohlenhydraten jedoch entstehen giftige Stoffwechselabfallprodukte, die aufgrund der in Mitleidenschaft gezogenen Organe nicht mehr ausreichend abgebaut werden können und somit zur Vergiftung des Tieres führen. Bei der eintretenden Azidose (Störung des Säure- Basenhaushaltes, mit pH- Verschiebung zur sauren Seite hin) entstehen in der Leber aufgrund des gestörten Kohlenhydraht- und Fettstoffwechsels "Ketonkörper", die über den Urin (feststellbar mittels Urinteststreifen) ausgeschieden und in Form von Aceton über die Lunge abgeatmet (Atemluft riecht süsssäuerlich) werden. Die Säureausscheidungskapazität der Nieren kommt zum Erliegen, es kommt zu Urin-pH-Verschiebungen (ebenfalls messbar per Urinteststreifen).



Durch anhaltenden Hungerzustand kann es auch zu einer Übersäuerung des Darmes mit Verschiebung der Darmflora kommen. Als Folge können pathologische Krankheitserreger leichter bzw. ungehindert die Darmwände passieren und den Organismus überschwemmen, was das schon dramatische Krankheitsbild noch zusätzlich erschweren kann. Befindet sich das Meerschweinchen in diesem Zustand herrscht akute Lebensgefahr und oft helfen auch sofort eingeleitete Therapieversuche nicht mehr. 



Aus diesem Grund ist es extrem wichtig, ein Meerschweinchen zwangsweise mit Nahrung zu versorgen, wenn die Nahrung nicht mehr selbstständig aufgenommen werden kann. Die Gabe von Päppelbrei auf einem Tellerchen zur freien Aufnahme kann stressfrei dafür sorgen, dass geschwächte Tiere bei Kräften bleiben und ihre Nahrung leichter aufnehmen können. Oft verweigern aber Tiere in krankem Zustand die selbständige Breiaufnahme, und müssen somit Zwangsgefüttert oder eben gepäppelt werden.  


Päppelbreie

Marumoto-Breie 

Winfred und Eva Stoffels aus Belgien stellen selber die Marumoto-Breie her: Die Breie werden selber aus ausgesuchten Kräutern, Gemüsen und Vitaminen gemischt. Es gibt verschiedene Sorten von Breien, die nach den jeweiligen Bedürfnissen der Tiere zusammengestellt worden sind. Die Breie geben lange Energie ab, was wünschenswert ist. Die Tiere haben nachher aber trotzdem noch Appetit, es ist also nicht so, dass sie für Stunden satt sind. Im Gegenteil:
Sie wollen nach der Breigabe immer noch was Leckeres wie trockene Maisblätter, Erbsenflocken oder ähnliches.    

Critical Care

Ist eine bereits vorgefertigte Mischung zur Zufütterung bzw. Zwangsernährung von Meerschweinchen, welche von der englischen Oxbow Hay Company hergestellt wird.  Critical Care enthält ein speziell auf den Organismus von Meerschweinchen abgestimmten Vitamin- und Mineralstoffspiegel und Faserstoffe. Es ist, im Gegensatz zu anderem Päppelfutter, eher die gröbere Variante.                                                                                                                                                         

Critical Care fine grind

Ist ebenfalls eine bereits vorgefertigte Mischung zur Zufütterung bzw. Zwangsernährung, welche von der englischen Oxbow Hay Company hergestellt wird. Es ist ganz fein gemahlen und eigentlich für die Sondenernährung konzipiert, aber für Zahnpatienten ist es ein Segen!                                                                                                                                         


Dental-Aid Herbi

Ist ein sehr fein gemahlenes Pulver, welches aus Lupinenmehl, Alpen-Grasmehl, Weizenquellmehl, Haferflocken, Johannesbrotschrot, Hefeextrakte und natürlichen Aromastoffen besteht. Es wurde speziell zum Päppeln von Zahnpatienten entwickelt.                                                                                                                                                                                                             

Herbi Care plus

In meinen Augen ganz klar der Lieblingsbrei unter den Päppelbreien. Ich bekomme regelmässige Kundenfeedbacks, dass dieser Brei am liebsten gefressen wird. Zum Teil sogar freiwillig und selbständig. Es ist ein Spezialfuttermittel für geschwächte und appetitlose Pflanzenfresser. Das feine Pulver wird einfach mit Wasser zu einem Brei angeführt, der selbständig gefressen oder mit einer Spritze oder Sonde ins Maul verabreicht werden kann.

Schmelzflocken

Sehr zu empfehlen sind Schmelzflocken. Diese lösen sich sehr schnell auf und machen die Päppelbreie schön sämig und geben zusätzlich noch Kraft. Die meisten Meerschweinchen lieben den Geschmack von Haferflocken. Man kann auch mal ein ekliges Medikament in Schmelzflockenpampe geschmuggelt verabreichen.                                                                                                                                                                     


Wie wird gepäppelt?

Der Brei kann auf einem Tellerchen, vom Löffel bzw. in einer Spritze angeboten werden. Ich habe gute Erfahrungen mit Insulinspitzen (1 ml) gemacht, bei denen ich die Spitze mit einer scharfen Schere abschneide (Vorsicht, es dürfen keine rauen Kannten entstehen, da sonst eine Verletzung im Mund gross ist) . Damit kann genau eine Mäulchenfüllung Brei verabreicht werden. Nimmt der Patient den Futterbrei freiwillig aus einer Schüssel bzw. vom Löffel, sollte darauf geachtet werden, dass der leckere Brei nicht von gesunden Tieren weggefressen wird.  Muss man das Meerschweinchen allerdings mit der Spritze füttern, ist der Patient meistens nicht sehr kooperativ. Das Päppeln erfordert ein bisschen Übung, Geschick und Ideenreichtum, um das Mäulchen in die "richtige" Position zu bringen, die Spritze aufzuziehen, ins Mäulchen zu führen und "abzudrücken".


Mit der linken Hand halte ich vorsichtig den Kopf des Tieres und führe mit der rechten Hand die aufgezogene Spritze an die Seite des Mäulchens.  Die Spritze mit dem Futterbrei führe ich seitlich ins Mäulchen und verabreiche eine Spritze (rund 1,0 ml). Wichtig ist, dass man die Spritze gut 2 cm in das Mäulchen einführt. Wenn man den Brei zu weit vorne in das Mäulchen gibt, läuft die ganze Pampe einfach seitlich wieder aus dem Maul heraus (häufiger Anfängerfehler). Danach lasse ich dem Meerschweinchen Zeit, den Brei zu kauen und zu schlucken. Aufpassen, dass sich das Tierchen nicht verschluckt! Ein Meerschweinchen sollte immer in einer möglichst natürlichen Körperhaltung gefüttert werden, weil sich sonst die Gefahr, dass das Meerschweinchen Futterbrei in die Atemwege bekommt, deutlich erhöht. (Also NICHT auf den Rücken legen!)  

bereit für die Breifütterung

Manchmal fressen die Tiere den Brei

auch selbständig vom Löffel

Päppeln mit der Spritze


Welche Mengen werden verabreicht?

Die Breigaben sollten über den Tag verteilt werden. Insgesamt ca. 1/20 des Körpergewichts an Päppelbrei. Das wären z.B. bei einem 1000 g schweren Meerschweinchen täglich 50 g. 

Warnung 

Man darf dem Meerschweinchen auf keinen Fall zu viel Brei auf einmal verabreichen, das könnte zu einer schweren Magenüberladung führen. Ein Meerschweinchenmagen hat ein Fassungsvermögen von  20-30 ml. Vor allem Critical Care aber auch die anderen Päppelbreie quellen im Magen meist noch etwas nach. Durch das Nachquellen wird dem Körper Wasser entzogen, was zu Kreislaufproblemen führen kann.    


Bei Tieren, die selber gar keine Nahrung zu sich nehmen, ist durchschnittlich ist eine Gabe alle 3-4 Stunden von 10-12 ml optimal.  

Zubereitung
Man benötigt: 
- Pulver von einem Futterbrei zum Anrühren
- lauwarmes Wasser oder Fencheltee 
- 1-ml-Einwegspritze mit abgeschnittener Spitze (beim Tierarzt oder in unserem Shop erhältlich).
- kleines Behältnis (ich verwende zum Anrühren eine Espresso-Tasse oder einen Medi-Becher)   

Der Brei sollte nach Möglichkeit zu jeder Fütterung frisch zubereitet werden. Er kann allerdings rund 24 Stunden im Kühlschrank aufbewahrt werden. Dann sollte man allerdings bedenken, dass der Päppelbrei lauwarm verabreicht werden sollte.  Je nach Verabreichungsart kann der Brei durch Zugabe von Flüssigkeit bzw. Pulver geändert werden, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.     


Zugabe zum Brei:

Um die Darmflora zu unterstützen, kann man dem Päppelbrei - in Absprache mit dem Tierarzt - Probiotika, wie "Bene-Bac-Gel" (über den Tierarzt oder in unserem Shop erhältlich), hinzumengen.  Manche Tiere nehmen den Brei lieber zu sich, wenn man ihn mit wenig










Frühkarotten- bzw. Apfelbrei aus einem Babygläschen mischt.










Zu beachten:  Dem kranken Tier muss immer frisches Heu und Wasser zur Verfügung stehen. Das Tier sollte auch dazu animiert werden, selbst Heu zu fressen, denn das Päppeln ist keine Dauerlösung, sondern nur eine Überbrückung, bis das Tier wieder selbstständig fressen kann. Sofern das Meerschweinchen über einen längeren Zeitraum zwangsernährt werden muss, ist zu bedenken, dass das Wachstum der Zähne stetig voranschreitet und keinerlei Zahnabrieb stattfindet. Die Zähne sollten daher regelmässig beim Tierarzt kontrolliert werden.